Schmugglerglück

21.8: Montafon – Graubünden

Nachdem ich gestern meinen Mitfahrer „verloren“ habe (bzw. er nicht erreichbar sein will), muss ich statt Sahnetrails im Montafon hinabzugleiten erstmal die notwendigsten Werkstattutensilien neu kaufen. Mit einem bombigen Frühstück im Magen gehe ich die Einkaufstour an.

Im Sportgeschäft oberhalb der Versettlabahn (die sich gerade im Umbau befindet) machen mir die Angestellten, insbesondere der junge Mann in der Werkstatt einen kompetenten Eindruck.
Luftpumpe: check, Bremsbeläge: check, Allzwecköl: check, zweites Paar Socken: 20.- …sonst gehts aber noch?!? Erst in Chur sollte ich ein schlichtes Paar Socken zu einem normalem Kurs finden. Wobei ich mit diesen Luxusartikeln, hergestellt von pakistanischen Kinderhänden unter Zwangsarbeit, sicher doppelt so schnell die Berge erklimmen würde. Mindestens doppelt so schnell.

Da für nachmittag Gewitter amnekündigt sind und die Versettlabahn geschlossen hat, muss ich statt Singletrailfeuerwerk direkt den Bus (2,8 Euro incl. Bike) nach Gargellen und von dort die Schafskopfbahn nehmen.

Ab hier stehen zwei mögliche Routen bereit: 1) übers Gafierjoch und einen weiteren Pass mit insgesamt 600hm oder 2) übers Schlappiner Joch nach kurzem Downhill 500hm nach Klosters.

Ich frage den Bergbahnangestellten an der Bergstation um Rat. Er mustert mich und mein Bike, und gibt eine präzise Auskunft. Auf sein Anraten nehme ich Variante 2. Nach kurzen technischem Trail gehts über die Skipiste in ein Hochtal, und von dort in insgesamt 1,5h auf alten Schmugglerpfaden aufs Schlappiner Joch.

Der Trail bergab macht die Strapazen bergauf mehr als Weg. Meist um den Schwieirgkeitsgrad S2 pendelnd, gleite ich mit nur sehr wenigen Tragestellen dieses Sahnestück nach Schlappin hinunter. Von Schlappin geht am Bach linkerhand ein Singletrail weg, der später wieder auf die Strasse führt.

Nach wenigen Minuten erreiche ich Klosters, trete wenige Meter talaufwärts, verpflege mich, hebe an einem Bankinstitut ein paar Fränklis ab, und schon begrüßt mich die Gotschnagratbahn mit einem Hinweis, dass Wanderer und Biker auf den Wegen gleichberechtigt sind, und gegenseitige Rücksichtnahme erhofft wird.

Vorbildlich! Aufklären und Tipps geben, statt ständiger Verbote. Niemand bricht sich damit ein Bein, im Gegenteil, man begegnet sich als Bergsportler auf Augenhöhe und nimmt aufeinander Rücksicht, sodass alle ihr Bergerlebnis genießen können.

Die wenigen Biker, die mir auf dem flowig leichten Panoramaweg Richtung Parsenn begegnen, nehmen auf die Wanderer ebenso Rücksicht, wie die Wanderer auf die Biker. Bei meinen Selbstaufnahmen per Zeitauslöser, lassen es sich gleich mehrere Wandergruppen nicht nehmen, mir hierbei zu helfen. Ich bin entzückt.

Trotz meiner Freude muss ich wegen der zunehmend drückenderen Gewitterluft zügig weiter auf den Parsennfurgga schieben. Nach gut 30 Minuten erreiche ich den Sattel, rolle wenige Meter an einem steilen Hang entlang Richtung Weissfluh. Von dort zweige ich zum Grünsee und Richtung Langwies rechter Hand ab. Mit wenige schwierigen und engen Stellen genieße ich diesen weichen Wiesentrail in einem wunderschönen unverbauten Tal.

Das Grün der Almwiesen ist zum reinbeißen. Wäre ich eine Almkuh, würde ich genau hier leben wollen. Da ich aber ein Biker bin genieße ich den kaum enden wollenden Flow des flach abfallenden Weges.

Irgendwann erreiche ich einige alte Berghäuser, die mit ihrem dunkelbrauner Holzbauweise aus einer Schweiz-Werbung zu stammen scheinen. Statt dem erwarteten Strassendownhill taucht vor mir plötzlich ein Wegweiser „Alter Sommerweg“ auf. Ich vage diesen auf der Wanderkarte nicht eingezeichneten Weg. 10 Minuten geht es auf kaum begangenem wenig steilem Wanderweg an einem Bergbach entlang.

Krönung dieses (erneuten) Sahnestückchens ist ein Stahlgeländer, das einige Meter durch die enger werdende Klamm ermöglicht. Einer der besten Abfahrten, die mir bislang untergekommen sind :).

Weiter geht es 22km auf Teer nach Chur. Dort gibts eine neue Handykarte, Verpflegung und die Erkenntnis, dass ich den letzten Zug Richtung Oberalppass leider verpasst habe. Unterkunft finde ich in Chur nur wenig bezahlbares. Das „Just be Nice“ Hostel direkt an der Brämbrüeschbahn ist mit 35.- sFR preislich gerade noch erträglich für ein Studentenbudget.

Schnell komme ich mit weiteren sportlichen Gästen ins Gespräch, und der Abend endet bei leckerer Past und einem Bier im „Ausgang“. Danke hier an Dirk aus Freiburg 🙂

Die verdiente Nachtruhe will sich trotz zweier Hopfengetränke nicht einstellen. Die hauseigene Disco und der Strassenlärm wie auch die schnarchenden Mitbewohner des Lagers sind einfach zu viel. Irgendwann schließt jemand die Fenster. Jetzt bekommt man die Preisverhandlungen der knapp bekleideten Damen von gegenüber (und nebenan) mit ihren Kunden nicht mehr mit, dafür wird der Raum immer wärmer und die Luft unerträglich verbraucht.

Nach gefühlten 2 Minuten Schlaf sitze ich um 8 Uhr schon im Zug Richtung Oberalppass, und hoffe auf feine Trails im Tessin.

~ von romarius - 22. August 2009.

2 Antworten to “Schmugglerglück”

  1. […] Schmugglerglück Schmugglerglück vom Montafon nach Klosters […]

  2. Hey Marius!
    Danke für die ausführliche Info. Wir haben auch Interesse daran einen Cross Klosters -> Chur zu machen. Die Rückreise nach Klosters soll dann noch am selben Tag per Rhb erfolgen (letzter Zug fährt um 18:20). Bei der Tourplanung möchte ich aber nach Möglichkeit auf die 22km Teer verzichten. Stattdessen überlege ich am Südhang von Langwies nach Chur um die 2000m üNN pendelnd.

Hinterlasse einen Kommentar